Österreich ist ein kleines Land – aber ganz groß, wenn es um Brauchtum geht. Denn dieses spielt eine zentrale Rolle in der österreichischen Kultur, sowohl zu Feiertagen als auch zu anderen Anlässen im Jahresverlauf. Vom traditionellen Almabtrieb über den geselligen Kirtag bis zum sonntäglichen Frühschoppen gibt es eine ganze Reihe an Traditionen, die aus dem österreichischen Alltag nicht mehr wegzudenken sind. Damit Sie sich in all der Vielfalt besser zurechtfinden, finden Sie die bekanntesten hier im Portrait!
Bräuche im Frühling
Fasching
Das Jahr beginnt in Österreich ausgelassen, denn sobald die Weihnachtszeit vorbei ist, startet der Fasching (in Deutschland “der Karneval”, in der Schweiz “die Fasnacht” genannt). Zunächst wird der Fasching auf eleganten Bällen wie dem Wiener Opernball zelebriert, bevor es im Februar bunt und ausgelassen weitergeht. Auf Umzügen, Maskenbällen und Faschingspartys (auf dem Land auch als “Gschnas” bekannt) feiern die Österreicher:innen in kreativen Kostümen oder hinter geheimnisvollen Masken.

Auf den Faschingsumzügen ziehen Gruppen in lustigen Verkleidungen durch die Straßen, spielen Musik, verteilen Süßigkeiten und laden zum Mitfeiern ein. Für Kinder ist diese Zeit etwas ganz Besonderes, denn als Prinzessin, Drache oder niedliches Kätzchen verkleidet zu tanzen, Fotos zu machen oder den Zuschauer:innen des Umzugs zu winken, sorgt für unvergessliche Erinnerungen. Höhepunkt der Faschingszeit ist der Faschingsdienstag, an dem noch einmal besonders ausgiebig gefeiert wird, bevor am darauffolgenden Aschermittwoch die Fastenzeit vor Ostern beginnt.
Osterbräuche
Apropos Fastenzeit: Diese ist der erste der zahlreichen Bräuche rund um das Osterfest. Sie dauert traditionell 40 Tage an, in denen viele Menschen auf Fleisch, Alkohol oder andere kleine “Laster” wie Rauchen oder Süßigkeiten verzichten. Am Ende der Fastenzeit wartet mit der Karwoche der Höhepunkt der Osterfeierlichkeiten. Am Palmsonntag werden in vielen katholischen Gemeinden Palmkätzchen (die weichen, flauschigen Blüten der Weide, die im Frühling an den Zweigen wachsen) geweiht, am Gründonnerstag verstummen die Kirchenglocken im Land und werden durch das Ratschen ersetzt. Hier ziehen Kinder aus dem Ort mit „Ratschen“ (das sind hölzerne Klapperinstrumente, die beim Drehen laut knattern) durch den Ort, deren Lärm das Läuten der Kirchenglocken ersetzt.

Ein Highlight für die ganze Familie ist das Verstecken und Suchen von bunt gefüllten Osternestern und gefärbten Eiern am Osterwochenende selbst. Außerdem gibt es zahlreiche Spiele rund um das Osterei, etwa das Eierpecken (zwei Ostereier werden aneinander geschlagen – jenes, das ganz bleibt, gewinnt) oder Eier rollen (Eier werden einen kleinen Hang hinunter gerollt – jenes, das am weitesten rollt, gewinnt). Genussvoll wird es bei der traditionellen Osterjause, bei der Köstlichkeiten wie geräucherter Osterschinken, bunte Ostereier, luftiger Osterstriezel oder süße Osterlämmer aus Briocheteig auf den Tisch kommen.
Schon gewusst? Neben den weit verbreiteten Klassikern haben viele Bundesländer auch ihre ganz eigenen Osterbräuche: In Kärnten etwa wird Reindling gebacken (ein zimtig-süßer Kuchen aus Hefeteig), in Tirol verteilen Pateneltern an ihre Patenkinder das sogenannte “Gotlpack” mit kleinen Geschenken und in der Steiermark tragen Kinder das traditionelle Weihfeuer von Haus zu Haus, um den Bewohner:innen Glück zu bringen. |
Bräuche zum 1. Mai
Was Bräuche betrifft, ist das Osterfest im Frühling der große Star, aber auch rund um den 1. Mai gibt es zahlreiche Besonderheiten. Da der “Tag der Arbeit” ein bundesweiter Feiertag und damit für die meisten Arbeitnehmer:innen dienstfrei ist, geht es vielerorts schon am Abend des 30. April los. Viele Gemeinden veranstalten ein Maifest, bei dem der traditionelle Maibaum aufgestellt wird – ein hoher, schmaler Nadelbaum, der vom Großteil seiner Äste befreit und stattdessen mit Kränzen und bunten Bändern geschmückt wird.

Besonders spannend: Maibäume werden in Österreich nicht nur gerne aufgestellt, sondern noch viel lieber gestohlen – meistens von Jugendlichen oder Vereinen aus den umliegenden Dörfern. Wird ein noch nicht aufgestellter (oder nicht ausreichend bewachter) Maibaum erfolgreich entwendet, muss dieser bei den Dieb:innen ausgelöst werden, üblicherweise mit einer zünftigen Jause oder einer großzügigen Getränkespende.
Bräuche im Sommer
Kirtag

Praktisch jede österreichische Gemeinde feiert im Laufe des Sommers ihren Kirtag – wenn es terminlich passt, zu Ehren des jeweiligen Kirchenpatrons der Gemeinde, ansonsten zu einem anderen sommerlichen Datum. Das Festprogramm variiert je nach Bundesland und Ort, üblich sind aber fast überall gemütliche Feiern im Ortskern mit Livemusik, (Volks)tanz sowie typisch österreichischen Spezialitäten wie Schweinsbraten, Spanferkel und selbstgebackenen Mehlspeisen. Für Kinder gibt es außerdem oft Highlights wie Kutschenfahrten oder Fahrgeschäfte.
Übrigens: Neben dem offiziellen Kirtag veranstalten auch viele örtliche Vereine wie freiwillige Feuerwehren, Fußballklubs oder Landjugend in den Sommermonaten ein Fest mit ähnlichen Programmpunkten – typischerweise, um Spenden und damit schon mal Budget für das kommende Jahr zu sammeln.
Tipp: Neben regionalen Zelt- und Dorffesten finden in den Sommermonaten auch zahlreiche Festspiele und Festivals statt. In unserem Blogbeitrag zu österreichischen Musik-Festivals stellen wir die bekanntesten Events näher vor. |
Sonnwendfeuer
Der längste Tag des Jahres am 21. Juni wird besonders in den westlichen Regionen Österreichs mit beeindruckenden Sonnwendfeuern gefeiert. Auf Bergen und an Seen werden große Holzstöße aufgeschichtet (teilweise sogar in kunstvollen Mustern und Symbolen) und im Anschluss entzündet.

Diese Feuer sind von weitem sichtbar und erleuchten ganze Bergketten und Täler, was sie zu einem Highlight für die lokale Bevölkerung und Besucher:innen macht. Ursprünglich sollte die Tradition böse Geister vertreiben, heute sind die Feuer ein geselliges Ereignis, bei dem man sich trifft und im gemütlichen Rahmen gemeinsam feiert.
Almabtrieb

Im Westen des Landes markiert der traditionelle Almabtrieb das Ende der Sommersaison auf den Almen. Nachdem sie den Sommer hoch oben auf saftig-grünen Wiesen verbracht haben, werden Kühe jetzt wieder zurück ins Tal getrieben – geschmückt mit Blumen, Kopfschmuck und Glocken.
Begleitet werden sie von Senner:innen in Tracht, in den Dörfern wird der Umzug mit Musik und einem großen Fest empfangen. Ähnlich wie beim Kirtag stehen auch beim Almabtrieb geselliges Beisammensein sowie der Genuss im Mittelpunkt. Entsprechend finden sich auf der Speisekarte oft Spezialitäten wie Bergkäse, Käsespätzle oder süße Tiroler Schlutzkrapfen.
Bräuche im Herbst
Erntedankfest

Besonders in landwirtschaftlich geprägten Gegenden wird im Herbst das Erntedankfest gefeiert – traditionell, um für die reiche Ernte im vergangenen Sommer zu danken. In einer feierlichen Prozession werden kunstvoll gebundene Erntedankkronen aus Stroh und mit Früchten, Gemüse und Getreide gefüllte Körbe in die Kirche getragen und gesegnet. Darum herum gibt es ein buntes Festprogramm mit Musik, Tanz und regionalen Köstlichkeiten, ähnlich wie beim Kirtag.
Mostfeste

Während in weiten Teilen des Landes Erntedank gefeiert wird, dreht sich im niederösterreichischen Mostviertel sowie der Steiermark alles um den Most, also vergorenen Saft aus Äpfeln oder Birnen. Die anwesenden Landwirt:innen feiern die neue Produktion und laden zum Verkosten ein. Dazu gehören kulinarische Spezialitäten wie Mostkuchen, Bratl und Strudel, außerdem gibt es oft Wettbewerbe, bei denen der beste Most der Region gekürt wird.
Martiniloben & Martinigansl

Da wir gerade bei Getränken sind: Auch den österreichischen Wein lässt man im Herbst ordentlich hochleben. Im vom Weinbau geprägten Burgenland findet rund um den Landesfeiertag am 11. November das traditionelle Martiniloben statt. Winzer:innen öffnen ihre Kellertüren und laden zum Verkosten des neuen Jahrgangs ein. Ein kulinarisches Highlight zu dieser Zeit ist das Martinigansl, eine knusprig gebratene Gans mit vielfältigen Beilagen wie Rotkraut oder Kartoffelknödeln, die auch über die Grenzen des Bundeslandes hinaus im November gerne serviert wird.
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Bräuche im Winter
Adventszeit
Mit Ende November, Anfang Dezember wird es festlich in Österreich. In vielen Haushalten findet sich ein Adventskranz mit vier Kerzen, von denen an jedem Adventssonntag eine mehr angezündet wird. Ein fester Bestandteil ist auch der Adventskalender, hinter dessen Türchen vom 1. – 24. Dezember jeden Tag eine kleine Überraschung wartet. Rund um den Krampus- bzw. Nikolaustag am 5. und 6. Dezember werden kleine Beutel (“Sackerl”) mit Aufmerksamkeiten verschenkt. Diese enthalten üblicherweise Süßigkeiten, Mandarinen und Nüsse “vom Nikolaus” – für alle, die nicht ganz so brav waren, finden sich darin aber auch schon mal Kohlen vom Teufel, auch bekannt als Krampus.

Eine weitere Tradition zu dieser Zeit sind die Krampus- bzw. Perchtenläufe – hier ziehen ganze Gruppen (üblicherweise aus professionellen Perchtenvereinen) in schaurig-kunstvollen Krampuskostümen durch den Ort, begleitet von Kuhglocken und Musik. Außerdem backen viele Familien in der Adventszeit gemeinsam Weihnachtskekse. Ein besonderes Highlight in der Adventszeit sind die stimmungsvollen Christkindlmärkte mit Punsch, Glühwein und Handwerkskunst, die im ganzen Land veranstaltet werden und Besucher:innen aus aller Welt zum Jahresende nach Österreich ziehen.
Weihnachten

Neben Ostern ist das Weihnachtsfest vom 24. – 26. Dezember die zweite große Hochsaison für österreichische Bräuche. Anders als in anderen Ländern bringt in Österreich nicht der Weihnachtsmann, sondern das Christkind die Geschenke, die unter dem festlich geschmückten Weihnachtsbaum gesammelt und am Abend des 24. Dezember ausgetauscht werden. Dazu gehört ein Festessen mit Karpfen, Weihnachtsgans oder anderen Köstlichkeiten (zum Dessert gibt es oft die bereits erwähnten Weihnachtskekse). Am 25. und 26. Dezember. ist üblicherweise Zeit für Familienbesuche, um die Feiertage bei weiteren Köstlichkeiten und Keksen entspannt ausklingen zu lassen.
Silvester & Neujahr
Auch zum Jahreswechsel gehört in Österreich die eine oder andere Tradition. Eine der gängigsten ist das Blei- oder Wachs gießen, bei dem geschmolzenes Metall oder Wachs in kaltes Wasser gegossen wird. Die Formen, die dabei entstehen, werden im Anschluss gemeinsam interpretiert und sollen (mit viel Fantasie) einen Ausblick auf das neue Jahr geben. Schwungvoll wird es um Mitternacht, wenn viele Österreicher:innen zu den Klängen des Donauwalzers in das neue Jahr hineintanzen.

Beliebt ist auch das Verschenken von Glücksbringern wie Kleeblättern, Marzipanschweinchen oder Hufeisen. Die vermutlich berühmteste Silvestertradition findet aber erst am Tag nach den großen Silvesterpartys statt: Das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker, welches alljährlich zahlreiche Besucher:innen in den prunkvollen Festsaal des Wiener Musikvereins zieht und von dort in die ganze Welt übertragen wird.
Stammtisch & Frühschoppen: Geselligkeit das ganze Jahr über
Zwar sind viele österreichische Traditionen an bestimmte Termine gebunden , es gibt aber auch einige Bräuche, die ganz unabhängig von Feiertagen oder besonderen Anlässen begangen werden. Die wichtigsten: Stammtisch und Frühschoppen.
Beim Stammtisch treffen sich Freund:innen oder ganze Vereine in einem Gasthaus oder Wirtshaus, oft an einem fix reservierten Platz – dem Stammtisch eben. Festen Termin gibt es dafür keinen, Stammtische können an jedem beliebigen Wochentag stattfinden. Der Frühschoppen hingegen findet traditionell am späten Sonntagvormittag statt (früher klassisch nach dem Kirchgang), hier trifft man sich zum ersten Glas Wein oder Bier des Tages, oft gibt es dazu auch eine kleine Jause oder es wird Karten gespielt. Im Mittelpunkt steht bei beiden Bräuchen jedenfalls das gemütliche Plauschen untereinander und selbstverständlich der Austausch von Klatsch, Tratsch und Neuigkeiten aus dem Ort.Andere Länder, andere Sitten: Die große Vielfalt an Brauchtum und Traditionen in Österreich kann besonders für frisch Zugezogene erstmal eine Herausforderung sein. Doch keine Sorge, mit den Bräuchen aus diesem Beitrag haben Sie die wichtigsten bereits kennengelernt. Sie möchten noch mehr über Kultur, Sprache und Leben in Österreich erfahren? Auf unserem Blog haben wir jede Menge weiteren Lesestoff für Sie vorbereitet, von den bekanntesten österreichischen Schriftsteller:innen bis hin zu unseren besten Tipps zum Deutsch lernen. Wir wünschen viel Freude beim Lesen!